Musik ist eine Wahnsinnskraft – Interview mit Alisa von Stackelberg

Wenn Alisa von Stackelberg die Tür zu ihrem schmucken Haus am Rande des Naturschutzgebietes in Berghausen öffnet, dann sieht man nicht unbedingt sofort, dass sie Musikerin mit Leib und Seele ist. Ihre Art, über die Musik zu sprechen, ist meist sachlich und pragmatisch – ganz anders als das Klischee des leidenschaftlichen, leicht exzentrischen Künstlers, der vor Kreativität nur so strotzt. Dabei begleitet und inspiriert sie die Musik seit ihrer frühen Kindheit.

Ihr Weg zur Musik

Bereits im Kindergartenalter kam Alisa von Stackelberg mit Musik in Berührung: „Also meinen Eltern war es wichtig, dass wir alle ein Instrument lernen“, sagt sie. Wir, das sind neben ihr noch zwei Geschwister. Bei ihr waren es besonders die tiefen Töne, die sie  anzogen, und so kam sie schließlich in der Grundschule zum Cello. Diese Entscheidung war der Beginn einer langen Reise, die sie von Berlin über Bremen nach Bern führte, wo sie fünf Jahre studierte, bevor sie schließlich 2012 eine feste Anstellung als Cellistin im Orchester des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe erhielt.

Ihre Musikbegeisterung

Musik, da sei „irgendwie alles drin“, betont sie. Klar, sie sei ein Ausdrucksmittel, aber nicht nur das, sie vermittle „ein wahnsinniges Gefühl“, dass man anders nicht erleben könne, selbst wenn man nur alleine für sich spielt. Sie helfe traurige Gefühle „in etwas Schönes“ zu verwandeln. Allerdings sei das Zusammenspiel mit anderen Musikern besonders reizvoll, weil es die Balance zwischen individuellem Ausdruck und gemeinschaftlicher Leistung darstellt. Sie wünscht sich, möglichst viele Menschen mit ihrer Musik zu erreichen, vor allem auch jene, die bislang keinen Zugang zur Musik haben. Sie hofft, dass möglichst viele Leute ins Theater nach Karlsruhe kommen, vielleicht auch zum ersten Mal, um sich faszinieren zu lassen. Woran es liege, dass manche mit Musik nichts anfangen können, wisse sie nicht. Vielleicht ja daran, dass sie als Kinder nicht frühzeitig damit in Berührung gekommen sind. Naheliegend, dass sie versucht das bei ihren eigen Kindern anders zu machen, ohne sie allerdings zur Musik zu drängen. Freude soll sie ihnen machen. Beispielsweise, wenn sie sehen, wie viel sie von der Musik zurückbekommen, wenn sie nur ein bisschen an Zeit dafür investieren.

Musik und Familie

Ihren Mann hat sie bei einer Produktion im Theater kennengelernt. Inzwischen haben sie 3 Kinder, die sich im Übrigen ganz unterschiedlich für Musik interessieren. Ihren Beruf als Cellistin und als Mutter unter einen Hut zu bekommen, das führe zu so manchem Stress und erfordere einiges an Disziplin und Organisation. Und immer wieder käme das Gefühl hoch, beiden Rollen nicht richtig gerecht zu werden, d.h. die Familie zu vernachlässigen und/oder nicht genug vorbereitet ins Theater zu gehen. Demnächst will sie nur noch zu 50 Prozent arbeiten. Mal sehen, wie es dann geht

Ihre Karriere

Die größte Bestätigung, die sie bisher beruflich erlebt habe, war der Gewinn des Probespiels vor dem Orchester des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe. Das sei wie ein Sechser im Lotto gewesen und habe letztlich zu ihrer Festanstellung geführt. „Das war einfach ein wahnsinniges Gefühl.“ Vor allem auch deshalb, weil sie zahlreiche Mitbewerber hatte und feste Orchesterstellen äußerst rar sind: „Ich habe es irgendwie geschafft, mich gegen so viele andere zu behaupten.“

Die Festanstellung gebe ihr Sicherheit betont sie. Sie bedeutet wirtschaftliche Sicherheit und musikalische  Regelmäßigkeit und führe aber immer wieder zu schönen Momenten, manchmal ganz kurz, manchmal auch länger. Besonders genießt sie die Arbeit und die Auftritte mit dem Kammermusik-Ensemble: „Jeder hat da mal sein kleines Solo“. Das mag sie, auch wenn sie sich eher nicht als Solistin sieht.

Pfinztal im Grünen

Für Pfinztal hätten sie und ihr Mann sich entschieden, um im Grünen zu leben, sagt sie, und in Pfinztal habe sie sich gleich wohl gefühlt. Sie seien als Familie schnell angenommen worden, hätten während der Coronazeit auch schon in der Kirche musiziert und an der Pfinz entlang zu laufen, sei einfach wunderschön. Die S-Bahn nach Karlsruhe ermöglicht es ihr auch problemlos, ihren Beruf in Karlsruhe auszuüben. Vom Kulturkomitee wünsche sie sich übrigens, dass es sichtbarer wäre in der Gemeinde.

Wolken am musikalischen Horizont

Persönlich sei sie nicht in Sorge, aber die Entwicklung der kulturellen Landschaft wirft Fragen bei ihr auf. Sie befürchtet, dass klassische Musik zunehmend nur noch als elitär angesehen wird und dass immer weniger Menschen, insbesondere junge Menschen, den Weg in die Konzerte finden. Gleichzeitig verändere sich die Orchesterlandschaft. Es werde immer schwieriger Stellen neu zu besetzen. Manchmal weil sie eingefroren, bzw. aus Spargründen nur befristet freigehalten werden, aber auch weil sich nicht immer passende Bewerber fänden. Auch sei die Bedeutung von Orchestern und Theatern ganz vielen Menschen nicht bewußt und in den Schulen passiere auch nichts um das zu ändern. Auch der Musikunterricht würde viel zu oft ausfallen, obwoh doch erwiesen sei, wie nützlich eine musikalische Ausbildung in jeder Hinsicht sei. Dazu käme, dass bei der Kultur häufig schnell der Rotstift angesetzt werde.

Zwischen Musik, Alltag und Traum

Alisa von Stackelberg ist Musikerin, aber dem Musiker*innen-Klischee entspricht sie eben nicht. So kann sie den Satz „Musik ist mein Leben“ wohl unterschreiben, denn ein Leben ohne Musik wäre für sie nicht drin: „Die Musik ist halt immer da“. Andererseits: „Ich bin auch froh, wenn ich mal eine Weile nicht spiele“. Sie hat Hobbies, näht Kinderklamotten, bastelt gerne und genießt die Freiheit, sich damit zu beschäftigen. Da seien ja auch die Kinder, für die sie gern mehr Zeit hätte. Allerdings, auch wenn sich gerade mal nicht alles um Musik dreht, irgendein musikalisches Projekt  beschäftigt sie immer – und sei es im Hintergrund. Besonders die Kammermusik hat es ihr ja angetan (s.o.)

Ihre größte Stärke als Musikerin und als Mensch sei es, gut zuhören und sich auf andere einstellen  zu können. Empathie nenne man das wohl. Sie habe ihre Ohren „überall“, musikalisch wie auch menschlich. Sie könne auch gut unterscheiden, was gerade wichtig ist und was nicht.

Dann wäre da ja auch noch der Traum von einem Selbstversorgerhof auf dem Land. Der habe überhaupt nichts mit Musik zu tun. Zumindest ließe er sich schwer mit der Arbeit im Orchester vereinbaren. Mal sehen.

Das Interview führten Laís Frey und Walter L. Brähler.

Alisa von Stackelberg